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Nürnberger Orgelpositiv im Händelhaus Halle

Christiane Rieche

Dieser Artikel erschien in: Die Hausorgel, Heft 11/2000, S.16

In der Musikinstrumentensammlung des Händel-Hauses in Halle werden einige historische Orgelpositive aufbewahrt. Georg Friedrich Händel selbst war von Kindesbeinen an Orgelvirtuose, seine erste Anstellung erhielt er am halleschen Dom als Organist, in seinem Haus in London hatte er eine kleine Hausorgel stehen - Gründe genug, sich diesem speziellen Sammlungsgebiet zu widmen.

Das wertvollste der Orgelpositive im Händel-Haus stammt aus der Zeit um 1710. Es gehört als erster Sammlungsgegenstand, im Jahre 1938 - zehn Jahre vor Museumseröffnung - angekauft, zum Grundbestand des Museums. Das Instrument ist nicht signiert, doch anhand der Bauweise im Vergleich mit zwei anderen Positiven läßt es sich dem aus Thüringen stammenden Nürnberger Orgelmacher Adam Ernst Reichard (1670-1756) zuschreiben.

Vergleichbar im Detail sind u. a. die Windladen, Klaviaturen, charakteristische Aussparungen am Bodenbrett des Obergehäuses und Tonbuchstaben im Pfeifenwerk. In der Disposition unterscheiden sich die Reichard-Positive durch eine abgemilderte Klangkrone von den frühbarocken Nürnberger Positiven sowie durch das Fehlen eines scharf klingenden Zungenregisters (z. B. Regal).

Das Positiv des Händel-Hauses hat folgende Disposition:
Klaviaturumfang C-c³
Gedackt8'Holz
Gedackt4'Holz
Spitzflöte2'Zinn
Oktave1'Zinn, im Prospekt

Der Wind wird durch zwei dreifältige Bälge erzeugt, die durch zwei Lederriemen an der rechten Seite des Instrumentes aufgezogen werden. Das Schnitzwerk, mit dem das Positiv dekoriert wurde, bestehend aus Schleierbrettern, Blumenranken und Engelsköpfen, ähnelt denen anderer Reichard-Orgeln in und um Nürnberg, und es ist daher nicht ausgeschlossen, daß es sich wie bei jenen um eine Arbeit der Nürnberger Bildhauerfamilie Bromig handelt. Die farbliche Grundgestaltung des Positivs mit braun marmorierten Flächen, vergoldeten Zierleisten und vergoldetem Schnitzwerk dagegen findet sich auch auf dem kolorierten Prospekt-Entwurf einer Reichard-Orgel für die Kirche St. Bartholomäus in Nürnberg-Wöhrd. Der Entwurf stammt aus der Hand des Malers Jacob Endter (gest. 1714). Somit bleibt zu vermuten, daß derselbe Maler das Händel-Haus-Positiv gestaltete.

Die heute die Innenseiten der Türen schmückenden musizierenden Engel (mit Zink und Trompete) allerdings sind späteren Datums. Sie verdecken vollständig eine frühere Fassung die - wie in einem Röntgenbild zu sehen ist - ebenfalls eine Darstellung mit musizierenden Engeln zeigt, hier nur mit Violine und Trompete.

Bei der langwierigen Restaurierung der äußeren Fassung in der Restaurierungswerkstatt des Händel-Hauses wurde ein Spruch über der Klaviatur sowie ein kleines Gemälde mit einer Darstellung von Jakob und der Himmelsleiter auf dem unteren Gehäusebrett entdeckt.

Das Orgelpositiv befindet sich heute wieder in spielbarem Zustand. Bis auf die rekonstruierte Oktave 1' im Prospekt und einige Ergänzungen in den anderen Registern erklingt noch das originale Pfeifenwerk.

Anschrift der Verfasserin:
Christiane Rieche, Händelhaus, Große Nikolaistraße 5, 06108 Halle