Galerie

Historische Orgeln im Deutschen Museum in München

Reinhard Böllmann

Einführung

Daß man Musikinstrumente als "angewandte Physik" betrachten und so in ein naturwissenschaftlich-technisches Museum integrieren kann, erscheint auf Anhieb wohl ein wenig weit hergeholt. Daß Orgeln etwas mit Technik zu tun haben, muß dagegen (spätestens seit Vitruvs 10 Büchern über die Baukunst) einleuchten. Es ist daher nur folgerichtig, daß das Deutsche Museum eine bedeutende Sammlung historischer Orgeln besitzt. Sie besteht - abgesehen von den beiden eigens fürs Museum erbauten Konzertorgeln von Steinmeyer (1923) und Ahrend (1995) - aus 11 Orgelpositiven, 2 Regalen und 2 Vierfuß-Orgeln, die zugleich das jüngste und das älteste Instrument dieses Ensembles bilden.

Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs waren an vielen Instrumenten umfangreiche Restaurierungsarbeiten notwendig, die zeitentsprechend nur mager dokumentiert sind. Inzwischen ist eine neuerliche Überholung - d.h. Reinigung mit geringfügigen Reparaturen - notwendig geworden, um die Instrumente spielbar zu erhalten, wie es zum Konzept des Museums gehört. Die Restaurierungsarbeiten werden in der Regel von Museumsrestaurator Helmut Klöckner in Abstimmung mit dem Leiter der Sammlung, Herrn Dr. Henkel, ausgeführt. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Inventarbeschreibung auf einen aktuellen Stand und Standard gebracht. Zu allen Instrumenten möchte ich verformungsgetreue Bestandspläne beisteuern, wobei gerade das dritte Objekt in Arbeit ist. Am Ende soll natürlich eine Veröffentlichung stehen, die den Orgelforschern Vergleichsinformationen und den Orgelbauern Anregungen geben kann. Vorab möchte ich hier einen Überblick über die interessanten Instrumente geben und dabei insbesondere auf die jeweilige technische Anlage eingehen. Für die Erlaubnis zu einer entsprechenden Durchsicht danke ich Herrn Dr. Henkel.

Alle Maße sind nur grob und ohne Gesimse o.ä. Verzierungen gemessen. Alte Registerbeschriftungen stehen in Anführungszeichen. Die Numerierung der Register entspricht der Stellung auf der Lade. Alle Angaben beruhen auf einer ersten oberflächlichen Untersuchung sowie der Ausstellungsbeschriftung und Literatur; die genauere Untersuchung könnte die eine oder andere Berichtigung notwendig machen.

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1. Vierfuß-Orgeln

1.1 Thalkirchner Orgel, mutmaßlich Hans Lechner (München) 1630

Inv. Nr. 13125

Erbaut wurde diese Orgel nach allgemeiner Vermutung von Hans Lechner (gest. 1634). Eine Aufschrift auf dem Gehäuse vermeldet, daß die Orgel erstmals 1630 erbaut, 1632 von den Schweden "verhört" (verheert) und 1636 erneuert wurde. Glücklicherweise stand die Orgel aus der Wallfahrtskirche Maria Thalkirchen bei München aufgrund eines Neubaus gerade zu der Zeit zur Verfügung, als die Sammlung im Deutschen Museum aufgebaut wurde. Sonst wäre es ihr ergangen wie den meisten Barockorgeln Bayerns, die im 19. und 20. Jh. verheizt wurden. Sie dürfte nicht nur die älteste erhaltene Orgel der Sammlung, sondern Bayerns überhaupt sein, wenngleich infolge von Kriegsschäden ein erheblicher Teil der Pfeifen erneuert wurde. Leider ist auch der Platz auf der Empore etwas zu klein, so daß bei der Aufstellung im Museum der Fuß der Orgel in den Bodenaufbau "versenkt", Gehäusebekrönungen abgenommen und ein Teil der Pedalpfeifen hinter das Gehäuse abgeführt werden mußte.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

7. "Flauten"

8'

Holz offen

6. "Copl"

4'

Metall gedeckt, erneuert

1. "Principal"

4'

Zinn, Prospekt

5. "Octav"

2'

4. "Quint"

1½'

3. "Mixtur" III

 

C

 

 

 

1'

½'

¼'

 

 

2'

1'

½'

 

4'

2'

1'

8'

4'

2'

2. "Cimpel" I

 

C ¼' c° ½' c¹ 1' c² 2'

Pedal C, D, E, F, G, A - b°

10. "Subbaß"

16'

Holz gedeckt

9. "Octavbaß"

8'

Holz offen

8. "Quintbaß"

6'

Metall offen, erneuert

- keine Koppeleinrichtung ! -

Stimmhöhe a¹ 460 Hz, Winddruck 57 mm WS

Im Prospekt steht in drei Feldern Principal 4'. Die Basis des Klanges bildet aber nicht das übliche Gedeckt, sondern eine offene Holzflöte 8', so daß das Plenum den nötigen Unterbau besitzt. Die drei Pedalregister stehen als Hinterwerk in pyramidenförmiger Aufstellung im Gehäuse, vom Pedal aus angesteuert über eine Doppelwippe am Fußboden und ein eigenes Wellenbrett unter der Lade.

Zwischen den beiden Windladen steigen die Schubstangen der Registermechanik empor, die ein besonders wertvolles Belegstück ist und etwa mit Klosterneuburg oder Kiedrich verglichen werden kann:

Die Schleifen werden nämlich nicht von unten her mittels Hebeln oder Schwertern bewegt, sondern von oben her, wo zwischen den Füßen der Baßpfeifen Eisenwellen in Querrichtung auf den Pfeifenstöcken lagern. Von diesen Wellen greift je ein Arm in die Schleife und ein anderer reicht am auskragenden Ende der Welle in den Zwischenraum zwischen den Windladen. Dort sind sie über Stangen mit den vertikal zu bedienenden Registerhebeln verbunden. Weil sich die Mechanik bei dieser Anordnung schon durch das Eigengewicht der Teile in Bewegung setzen könnte, sind üblicherweise die Führungsschlitze der Registerhebel in der Gehäusefront so geschnitten, daß man die Hebel dort einrasten lassen kann. Das ist auch hier so, obwohl es nicht notwendig ist, nachdem Lechner die Stangen zur Gewichtsersparnis aus Holz mit sehr umständlich angeschuhten Eisengelenken, und die Hebel nicht ein- sondern zweiarmig gebaut hat. Der in der Literatur zu findende Hinweis auf die Springlade führt natürlich in die Irre. Eher könnte man an Arnold Schlick denken, der (im 5. Kapitel) den Kipphebeln gegenüber den heute üblichen Registerzügen den Vorzug gab. In der Tat paßt diese Art der Registermechanik ideal zu den von Schlick empfohlenen Oberschleifen (9. Kapitel) und dürfte genau für diese entwickelt worden sein. Komplettiert wird die Anlage durch drei alte Keilbälge, die nebeneinander hinter der Orgel liegen.

Literatur: Thomas/Kunze (o.S.), Brenninger S. 20, S. 44; Klotz S. 207, S. 242 (mit unzutreffenden Angaben); Schnorr S. 29

 

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1.2 Italienische Kirchenorgel, Nicomede Agati e fratelli (Pistoia) 1875

Inv. Nr. 35495

Das Instrument eignet sich ohrenscheinlich sehr gut für alte italienische Musik, was man von der Entstehungszeit her nicht unbedingt erwarten würde, und obwohl es eine einigermaßen abenteuerliche Spareinrichtung besitzt, die sich in Italien anscheinend seit dem 18.Jh. einiger Beliebtheit erfreute: Die Disposition weist einen Prinzipal 8' aus, obwohl keine Pfeife länger als 4' ist. Erreicht wird dies durch eine Repetition im Baß: die Große Oktave spielt durch eine mechanische Superoktavkoppel (d.h. mit entsprechenden Wellen) nichts anderes als die Kleine Oktave. Lediglich der 8' hat in der Großen Oktave eigene Pfeifen zusätzlich zu den repetierten, und zwar in Form eines nicht abstellbaren weiten Gedackt 8' an der Rückwand, der mit dem repetierten 4' völlig verschmilzt und so den Charakter eines offenen 8' täuschend imitiert. Im Einzelspiel stören nur die (seitlich ausgeführten) Gedacktpfeifen c-e.

 

Durch die geschilderten Sparmaßnahmen konnte der Orgelbauer fast das gesamte Metallpfeifenwerk auf einer nur 28 cm tiefen Windlade unterbringen, die in altertümlicher Art aus einer 5 cm dicken Bohle von ausgesuchtestem Nußbaumholz ausgestemmt ist. Für die Gedacktpfeifen der großen Oktave sind eigene Ventile eingebaut, die den Wind unmittelbar nach unten zu dem auf Manualhöhe liegenden Extrastock leiten. Die Windlade liegt über der Tastatur (Unterkante Prospekt 60 cm über Unterkante Oberteil) und wird über das klassische italienische Wellenbrett mit Eisenwellen angespielt. Vermutlich handelt es sich um ein Serieninstrument.

Manual C, D, E, F, G, A - f³

 

"Principale Basso"

(8', C-f¹)

C-e° Holz gedeckt, g°-f¹ im Prospekt

"Principale Soprano"

(8', fs¹-f³)

fs¹-ds² im Prospekt

"Octava"

(4')

(original, aber unzutreffend als "Octava Bassa" beschriftet)

"Decima Quinta"

(2')

"Decima Nona"

(1 1/3')

"Vigesima Seconda"

(1')

"Vigesima Sesta"

(2/3')

"Octava Soprana"

(4', fs¹-f³)

weit und durchdringend

Pedal C - H (lange Oktave!) angehängt

Eigene Pfeifen für Ds und Gs an der Rückwand und Cs und Fs an der Decke mit Zusatzlade.

Die Taste c° spielt den Tamburo (2 knatternd schwebende Holzpfeifen ohne eigenen Registerzug).

Stimmhöhe a¹ 415 Hz, Winddruck 45 mm WS

Die Registermechanik besteht aus Zugstangen (rechterhand in einer vertikalen Reihe), durch welche die Ärmchen der vertikalen Eisenwellen greifen. Wo die Wellenärmchen wieder aus den Registerstangen herauskommen, nimmt sie der Ripienozug (mittels eines Brettchens mit Langlöchern) mit. In Ruhestellung ist er halb herausgezogen und erlaubt es so, einzelne Register zu ziehen oder abzustoßen.

Durch volles Herausziehen werden alle Register außer Octava Soprana gezogen, durch volles Abstoßen werden alle wieder abgestoßen.

Maße: Oberteil 124,5 cm breit, 185 cm hoch, 64,5 cm tief. Unterteil 150,5 cm breit, 87 cm hoch, 63,5 cm tief (mit Bälgen 114 cm). Der Unterbau ist nach hinten offen und bildet eine Art Schürze vor den beiden Bälgen, die je sechs Falten haben und so nebeneinander liegen, daß die Mäuler in Richtung Spieler zeigen.

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2. Positive

2.1 Positiv, mutmaßlich Joh. Christoph Egedacher (Salzburg) 1693

Inv. Nr. 5403

Dieses Positiv soll aus einer Salzburger Kirche stammen und hat nach Auskunft von Professor Reichling die charakteristischen Baumerkmale der Familie Egedacher (vgl. auch Neumelans, s. Reichling, Südtirol). Es müßte somit von Joh. Christoph Egedacher (auch Christoph Egedacher d.J.) stammen. Es ist ein richtiges "Kircheninstrument", eine Brüstungsorgel mit altarähnlichem Prospekt auf der spielerabgewandten Seite mit Auszug und geschnitzten Ohren, und ziemlich viel Platz im Inneren.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

4. "Copel"

8'

Holz gedeckt, C-f° an der Rückwand

3. "Fleten"

4'

Holz offen, C-F hinter den seitlichen Prospektblenden

1. "Principal"

2'

C-e¹ Prospekt

2. "Quint"

1½'

repetiert bei c² nach 3'

Stimmhöhe a¹ 476 Hz, Winddruck 52 mm WS

Das Gehäuse besteht aus dem Oberteil mit dem Spielwerk und dem nachträglichen Unterteil mit dem (später nach historischen Vorbildern erneuerten) Gebläse aus zwei Keilbälgen. Die Rückwand ist starr und für die Nußbaumlabien der dort stehenden Baßpfeifen (aus Nadelholz) ausgespart, d.h. diese Pfeifen sprechen nach hinten. Die Pfeifen sind zugänglich über zwei aushebbare vergitterte Füllungen in den Seitenwänden.

Die Windlade liegt unter dem Manual, das über z.T. stark gekröpfte Stecher die Ventile aufdrückt. Die Registerschleifen sind auf der Diskantseite durchs Gehäuse geführt und mit schneckenförmig ausgeformten Griffen versehen. Vermutlich im 19. Jahrhundert wurde ein neues Manual mit längeren Tasten und Eisenhebeln zum Registrieren dazugebaut. Leider ist das gesamte Metallpfeifenwerk infolge der Kriegsschäden erneuert; die mensurgetreue Rekonstruktion scheint mir aber gelungen (wenngleich natürlich Stimmröllchen angebracht wurden).

Maße: Oberteil: Höhe 134 cm, davon Klaviaturvorsprung 18 cm. Breite 105 cm, Tiefe (ohne Verzierungen) 55 cm und 70 cm am Klaviaturvorsprung.
Unterteil: Höhe 68 cm , Breite 112 cm, Tiefe 80 cm.

Literatur: Schnorr S. 27, Reichling S. 78 f.

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2.2 Positiv, Nicolaus Franciscus Lamprecht

(Oettingen) 1693
Inv.Nr. 20786

Das dreiregistrige Werk hat ein möbelmäßig furniertes Gehäuse, was vielleicht für eine ursprüngliche Verwendung als Hausorgel spricht, obwohl es aus einer Kapelle (St. Emmeram, Gersthofen) an das Deutsche Museum kam. Die Schleierbretter sind im Rokokostil erneuert, dabei wurden entsprechende Schleierbretter auch vor den geschweiften (und bemalten) Prospektstöcken angebracht. Die ursprünglichen Flügeltüren vor dem Prospekt wurden wohl nachträglich durch die vorhandenen (derzeit ausgehängten) Glastüren ersetzt. Der Unterbau zeigt mit seinen gekröpften Profilen und Furnierarbeiten aufwendige Kunstschreinerarbeit, hat Möbelfüße und beherbergt zwei Keilbälge, die an der Baßseite mit Lederriemen gezogen werden (einen ähnlichen Unterbau besitzt ein Positiv von David Jakob Weidner im Mainfränkischen Museum Würzburg). Die Rückwand ist fest, zum Stimmen hat man Seitentürchen. Das Manual wirkt mittels der üblichen Stecher auf die darunterliegende Windlade, die Register werden auf der Diskantseite mittels gedrechselter Knöpfe an den Schleifenenden gezogen. Besonders interessant ist die Holzrohrflöte, die z.T. Kastenbärte hat.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

Copel

4'

Eichenholz mit durchbohrten achtkantigen Spunden (= Rohrflöte)

Principal

2'

C-d¹ Prospekt

Quint

1½'

repetiert bei f¹ in 3'

Stimmhöhe a¹ 455 Hz, Winddruck 45 mm WS

Maße: Oberteil Höhe 111,5 cm, Breite 83 cm, Tiefe 42 cm, am Tastenvorsprung 56,5 cm, Höhe des Tastenvorsprungs ca. 24 cm.
Unterteil Höhe 62 cm + 13 cm Füße, Breite 86,5 cm, Tiefe 58 cm.

Literatur: Kleemann S. 83 f. (mit Abbildung).

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2.3 Positiv, Antonius Berger (damals Augsburg oder Kempten) 1. Viertel 18. Jh.

Inv.Nr. 46065

Das Instrument verfügt über ein bemerkenswert aufwendiges Gehäuse mit geschweiftem, altarähnlichen Aufbau mit gedrechselten Säulen und anderem Architekturdekor und ist damit wohl von Anfang an für eine Kirche gedacht gewesen (zuletzt in der Kapelle St. Peter, Kissing). Sein Innenleben ist jedoch äußerst kompakt angelegt, würde sich also auch für eine Hausorgel empfehlen. Der Prospekt ist mit zwei Flügeltürchen verschließbar, hinter denen nur noch Platz für "Schleierbretter" aus Blech verbleibt. Die offene Rückseite des Gehäuses wird von den Baßpfeifen (C-cs°) der Copel 8' eingenommen. Die Labien kielbogenförmig geschnitzt und mit Pflaumenholz hinterlegt, die Pfeifendecken sind gebürstet und gebrannt, die aus den Pfeifen herausstehenden Spunde sind gezinkte, hohle Kästen! Einen echten Rückprospekt gibt es aber nicht, die Pfeifenanordnung ist weder symmetrisch noch chromatisch, sondern gehorcht dem Platzangebot: cs, c, H, B, D, C, E, F, G, A. Die Ventile werden über die übliche Stechermechanik regiert, die Schleifen werden (vermutlich über Schwerter im Gehäuseinnern) mittels Registerknöpfen gezogen, die aus den Seitenwänden des Klaviaturvorsprungs ragen.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

Copel

8'

Holz gedeckt

Copel

4'

Holz gedeckt, ab g¹ offen

Principal

2'

C-f° Prospekt

Oktave

1'

(Repetitionspunkt nicht festgestellt)

Stimmhöhe a¹ 457 Hz, Winddruck 53 mm WS

Maße: Oberteil: Höhe 110 bis 136,5 cm, Breite 87,5 cm, Tiefe oben 42,5 cm, am Tastenvorsprung 56 cm.
Unterteil: Höhe 81cm, Breite 105 cm, Tiefe 46,5 cm (immer ohne Verzierungen).

Im Unterteil befinden sich zwei Keilbälge mit Lederriemen an der Baßseite.

Literatur: Fischer/Wohnhaas, Anton Berger, S. 195; Addenda S. 264 f.

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2.4 Positiv, mutmaßlich altbayerisch, Anfang 18. Jh.

Inv. Nr. 16810

In diesem Instrument hat sich Jakob Will in Beuerberg 1809 anläßlich einer Reparatur verewigt. Bei der Überholung vor zwei Jahren haben sich erhebliche Rätsel aufgetan, die sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand etwa mit folgender Baugeschichte erklären ließen:

 

1. Erbaut im ersten Viertel des 18. Jahrhundert für ein Kloster in Altbayern,

2. nach der Säkularisation an eine Dorf- oder Filialkirche verkauft und dazu von Johann Will um ein angehängtes Pedal und ein weiteres Register erweitert,

3. etwa um 1900 durch ein neues Instrument ersetzt, kam so in den Handel und wurde dafür durch neue Prospektgestaltung "wertvoller" gemacht, bevor es ans Museum verkauft wurde.

Interessant ist an diesem Werk schon das Gehäuse in Nußbaum (furniert) mit schön geschnitzten Schleierbrettern. Ursprünglich hatte es zwei Holzpfeifenprospekte in rötlich gebeiztem Nußbaum und 3 Register:

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

1. Copel

8'

Holz gedeckt, C-A nach hinten ausgeführt,
B-g° im Prospekt, Rest in Zweierreihe

2. Principal

2'

in einer Reihe im Innern

3. Fleten

4'

Holz offen, C-e° Rückprospekt, Rest in Zweierreihe

Stimmhöhe a¹ 459 Hz, Winddruck 45 mm WS

Die Gebläseanlage aus Schöpfer auf der Baßseite und Magazin auf dem Kranzgesims ist recht eigenwillig konstruiert (was vielleicht für eine frühe "experimentelle" Bauform spricht) und machte einen Unterbau überflüssig.

Trotzdem existiert ein originaler Unterkasten. Diesen hat Johann Will 1809 benutzt, um ein angehängtes Pedal (C, D, E, F, G, A - f°) und ein zusätzliches Register einzubauen, das er von der Hinterkante der Windlade aus nach unten anschloß. Es war beim Ankauf durchs Museum nicht mehr vorhanden und wurde nach dem Krieg als dreifache Mixtur (in sicherlich nicht originaler Zusammensetzung) rekonstruiert. Offenbar war die Orgel zur Zeit Wills hinterspielig, so daß die akustisch notwendigen Löcher im Unterbau mühsam in Form eines ornamentalen Bänderwerks aus der (mit Nußbaum furnierten!) Füllung der Rückseite geschnitten wurden.

Etwa um 1900 wurde der spielerseitige Prospekt mit neuen Pfeifen für Prinzipal 2' neugestaltet und die Gedacktpfeifen des alten Prospekts an freie Stellen im Gehäuse verführt, was sehr komplizierte Überstöcke notwendig machte. Das Schleierbrett wurde dazu verändert und wahrscheinlich vom Rückprospekt an den Frontprospekt versetzt, was auch die gleichzeitige Neugestaltung der Rückseite (mit durchbrochenen Schnitzereien in Anlehnung an die des Unterbaus) erklären würde.

Das Positiv erinnert frappierend an dasjenige, das der damals in München ansässige Adam Fundensin 1702 mit dem Landshuter Kloster Seligenthal vereinbart hat (Brenninger S. 46), in der Umgebung von Fundensin oder Dietrich müßte man wohl weiterforschen. Unser Positiv hat aber keine Spuren etwaiger Türen zum Verschließen.

Maße: Oberteil: Breite 89,5 cm, Höhe 104 cm, Tiefe ohne Tastenvorsprung 48cm, Tastenvorsprung 11,3 cm tief, 15,2 cm hoch.
Unterteil: Breite 91,5 cm, Höhe 72,8 cm, Tiefe 59,7 cm.

Literatur: Schnorr S. 25f

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2.5 Tischpositiv (süd- oder mitteldeutsch), Mitte 18. Jh.

Inv. Nr. 22923

Das Werklein, das durch Eisenbügel für Tragstangen als Prozessionsorgel ausgewiesen wird, ist in beeindruckender Weise durchdacht und ökonomisch angelegt.

Sein Gehäuse hat keine Fassung, dürfte aber rötlich lasierend gefirnißt sein (optischer Eindruck von Lärchenholz), der dreigeteilte Prospekt kann völlig ohne Schleierbretter auskommen. Der rechteckige Gehäusekasten umfaßt auch die Tastatur, über der Platz für das Notenpult bleibt. Die Bälge sind am Werk selbst angebracht, der Schöpfbalg auf der Diskantseite und das Magazin auf der Gehäusedecke. Die Pfeifen sind auf engstem Raum untergebracht. Das hat freilich den Nachteil, daß zum Stimmen der Prospekt ausgehängt werden muß, weil die übrigen Wände und Decken verbaut sind. Das Manual wirkt über Stecher auf die darunterliegende Windlade, die Register werden durch gedrechselte Züge auf der rechten inneren Seitenwand gezogen.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

3. "Coppel 8 Fußton"

Eiche gedeckt,
C-f° Nadelholz mit Eichenlabien

2. "Flötte 4 Fußton"

Eiche gedeckt (C Nadelholz),
ab c² offen

1. "Principal 2 Fußton"

C, D Eiche offen,
E-c¹ Prospekt

Stimmhöhe a¹ 459 Hz, Winddruck 50 mm WS

Die Pfeifen C - G des 8' hängen an der Decke und sind gekröpft, von A - e¹ stehen sie in einer Reihe an der Rückwand und sprechen nach innen. Die große Oktav C - H des 4' ist ebenso wie C und D des 2' nach links ausgeführt. Höhe 115 cm (Sockel 21, Kranz 13,5 cm), Breite 92,3 cm, Tiefe 49,2 cm, Prospekt 12,7 cm eingeschoben.

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2.6 Positiv in der Bergwerks-Betstube, 2. H. 18. Jh.

Inv. Nr. 25911

Diese Orgel konnte ich noch nicht näher ansehen. Informationen lt. Schallplatten-Begleitheft:

 

Manual C-c³

Gedackt

8'

Flöte

4'

Oktav

2'

Quint

1½'

Stimmhöhe a¹ 438 Hz, Winddruck 50 mm WS
"Das Gehäuse ist für vier Register etwas groß".

Als Herkunftsort darf man nach Beobachtungen von Dr. Henkel Leipzig annehmen. Der Prospekt erinnert ein wenig an das Positiv im Münchner Stadtmuseum (siehe unten). Die Oberkante ist geschweift, der Prospekt in drei Felder geteilt, unter dem Prospekt liegt die Tastatur auf dem vorspringenden Unterteil auf, das nicht nur das Gebläse enthält, sondern auch die Windlade und die Stecher. Maße laut Inventar: Höhe 189 cm. Breite 134 cm, Tiefe 74 cm.

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2.7 Tischpositiv, um 1800 (?)

Inv. Nr. 17231

Dieses hübsche und sehr handliche Instrument könnte durchaus eine Hausorgel gewesen sein. Das Gehäuse ist gefaßt wie ein "Bauernmöbel" mit Furnierimitation, die Schleierbretter zeigen Bandel- und Schnörkelwerk, das mir aber verdächtig neubarock erscheint. Die Balganlage besteht aus einem parallelfaltigen Magazinbalg auf dem Kranzgesims und einem Schöpfer, der im Innern der Orgel an der Unterplatte des Magazins hängt. Bedient wird er mittels einer Stange, die innen entlang der Diskantwand verläuft und durch einen rechtwinklig durch die Wand gesteckten Griff auf- und abgeschoben wird. Die Mechanik ist die übliche Stechermechanik, hier mit ungekröpften Stechern (d.h. Lade in Manualteilung, was nicht unbedingt für einen Fachmann als Urheber spricht). Die Register werden über vertikale eiserne Kipphebel rechts neben der Tastatur geschaltet. Das Gehäuse hat Schrankform in den Maßen Höhe 120 cm, Breite 84 cm, Tiefe 37,5 cm. Der Prospekt steht 13,5 cm hinter der Vorderkante. Die angegebene Datierung bedürfte noch einer genaueren Überprüfung; vieles an dem Instrument sieht mir eher nach einer Kopie des späten 19. Jh. aus, vielleicht nach einem älteren Vorbild, vielleicht auch unter Verwendung älterer Teile.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

 

2. "Copl"

(4')

Holz gedackt

1. "Principal"

(2')

C-b° im Prospekt

Stimmhöhe a¹ 450 Hz, Winddruck 53 mm WS

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2.8 Orgelklavier, deutsch, um 1780 (?)

Inv. Nr. 17229

Daß kurz vor dem Ende des 18. Jahrhunderts die altertümlichen Instrumente Clavichord und Claviorganum eine letzte Blüte erlebten, muß wohl zu den experimentellen Randerscheinungen der Entwicklung des Hammerklaviers (bzw. der Entwicklung weg vom Cembaloklang) gerechnet werden, die wieder verschwanden, als das Hammerklavier ausgereift war. Zu diesen späten Claviorgana mit einer Truhenorgel unter einem Tafelklavier, wie eines auch bei Dom Bedos (Bd. 4, Pl. CXXXI) zu sehen ist, gehört auch unser Exemplar.

 

Die Windlade liegt auf dem Boden des Instruments und wird mit langen Stechern angefahren, in welche über seitlich angeleimte Klötzchen auch das Pedal mit Wellenärmchen des Koppelwellenbretts eingreift. Die meisten Pfeifen sind liegend nach hinten verführt (d.h. anders als bei Dom Bedos nicht auf der Spielerseite der Truhe), das Gebläse befindet sich rechterhand unter dem Resonanzteil des Klaviers. Die Registerzüge liegen in einer Reihe übereinander auf der Baßseite.

Obermanual: Tafelklavier mit Hammermechanik (zweichörig, Stoßmechanik, deutsche Oberdämpfung)

Untermanual (C - c4):

 

Gedackt

8' Baß
(C-g°)

Holz

Gedackt

8' Diskant
(gs°-c4)

Holz

Flöte

8' Diskant
(gs°-c4)

Metall

Octav

4' Diskant
(gs°-c4)

Transmission aus Flöte 8' D

Pedal (C - H) angehängt an Untermanual
Manualkoppel II-I, Dämpfungsaufhebung.
Winddruck 48 mm WS

Maße: Höhe Füße 12,5 cm,
Orgelteil: 71 cm,

Klavierteil: 19,5 cm.
Breite 159,5 cm, Tiefe 65,5 cm.

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2.9 Truhenorgel, um 1800 (?)

Inv. Nr. 30184

Dieses rare Stück ist schwer einzuordnen. Sein Gehäuse aus furniertem Nußbaum läßt an Biedermeiermöbel denken, also an ein "weltliches" Kammerinstrument. Der Aufbau spricht aber eher für eine freistehende Chororgel, wie etwa in Mönchsdeggingen. Der Organist steht an einer Schmalseite, der Kalkant an der anderen. Diese Art der Aufstellung wäre für ein Kammerinstrument zu platzraubend. Auch die Mixtur läßt nicht gerade an eine Hausorgel der Zeit um 1800 denken. Das Instrument ist transportabel, aber kaum eine Prozessionsorgel; dafür wäre sie viel zu groß und schwer.

 

Interessant ist der Aufbau. Die am Boden des Instruments liegende, durch lange Stecher angespielte Windlade ist unmittelbar hinter den Ventilen nach oben abgeknickt, und zwar mehr als 90°. Auf ihren Pfeifenstöcken sind die Pfeifen ohne besondere Verführungen angeordnet. Zuunterst liegen, in der Diagonale des Instruments, die 8'-Pfeifen in 2 Reihen, darüber der 4' und dann der 2'. Den Raum unter den 8'-Pfeifen füllen gerade die beiden nebeneinanderliegenden Bälge. Über den Ventilen steht die Mixtur aufrecht auf der Lade.

Manual C-c³

 

Gedackt

8'

Holz gedeckt

Holzflöte

4'

Holz offen

Principal

2'

Metall, C-H Holz offen

Mixtur

1'

III

Stimmhöhe a¹ 444 Hz, Winddruck 52 mm WS

Maße: Höhe 101 cm + Füße 11 cm.
Breite ca. 83 cm, Tiefe ca. 120 cm.

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2.10 Positiv, Mitte 18. Jh.

Inv. Nr. 17230

 

- Im Depot und bisher nicht untersucht -

 

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2.11 Positiv, Anfang 19. Jh.

Inv. Nr. 67062

 

- Im Depot und bisher nicht untersucht -

 

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3. Regale

3.1 Regal, süddeutsch um 1680

Inv. Nr. 24139

Ein Satz Regalpfeifen, Tonumfang C, D, E, F, G, A - c³

 Das Instrument repräsentiert die Endstufe des eigenständigen Regals zum Ende des 17. Jahrhunderts, wie es geradezu standardisiert gebaut wurde. Die Zinnpfeifen sind gedeckt mit Innenrohr, die Bälge dienen, mit entsprechenden Aussparungen auf der Unterseite, in zusammengeklapptem Zustand als Transportfach für den Spielteil. Bei der Überholung im letzten Jahr wurde eine detaillierte Dokumentation mit Zeichnungen angefertigt. Interessant war dabei vor allem, wie ausgereift und materialmäßig minimiert die ganze Konstruktion ist. Nachdem die Stecherbeschriftungen anscheinend mit denen des mutmaßlichen Egedacherpositivs übereinstimmen, dürften sich die weiteren Forschungen in diese Richtung konzentrieren.

Stimmhöhe a¹ 415 Hz, Winddruck 45 mm WS

Literatur: Menger S. 29

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3.2 Bibelregal, Ende 17. Jh.

Inv. Nr. 7993

Ein Satz Regalpfeifen, Tonumfg. C, D, E, F - c³

Ein Meisterwerk mikroskopischen Orgelbaus! Der in zwei Teile zerlegbare Spielteil läßt sich in den Fächern der beiden Balgunterseiten unterbringen, man klappt das ganze zu und es sieht aus wie ein bibelgroßer Foliant. Die gebrochene Oktav und der Tonumfang bis c³ sprechen für eine Entstehung gegen Ende des 17. Jahrhunderts (und nicht im 16. Jh.). Die äußerst fein gerbeiteten, halbgedeckten Pfeifen bestehen aus fingerkuppengroßen Holzresonatoren mit Messingkehlen in der Größenordnung von Zündhölzern.

Literatur: Menger S. 109

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4. Exkurs

Positiv im Münchner Stadtmuseum, Johann Glis (Nürnberg) 1744

Wer schon in München Positive besichtigt, könnte auch noch einen Abstecher in die Musikinstrumentensammlung des Stadtmuseums machen. Beide Sammlungen ergänzen sich und machen München zu einem wichtigen Musikinstrumenten-"Standort". Im Stadtmuseum steht ein Positiv aus Schloß Hemhofen (Franken). Bemerkenswert an dem bemalten Gehäuse sind besonders die oben und unten geschweiften Prospektfelder mit geschweiftem Kranzgesims. Die Register werden über Züge unterhalb der Tastatur (links und rechts der Stecher) geschaltet. Die Bälge im Unterbau werden durch Lederriemen von der Baßseite aus gezogen. Der von den beiden Diskantregistern freigelassene Platz wird durch Baßpfeifen des 4' genutzt.

Maße: Höhe oben 118 cm, unten 97 cm, Breite 116 cm, Tiefe oben 61 cm, unten 76 cm.

Manual C, D, E, F, G, A - c³

7. "Gedack"

(8')

Holz (Baßpfeifen Nadelholz mit Eichenlabien, an der Rückwand)

6. "Floede"

(4')

Eichenholz offen (Baßpfeifen Nadelholz mit Eichendecke)

5./4. "Nazart", zwei Züge:

5.

2 2/3'

Diskant (c¹-c³)

4.

1 3/5'

Diskant (c¹-c³)

1. "Principal"

(2')

C-fs° im Prospekt

3. "Quint"

(1 1/3')

Diskant (c¹-c³)

2. "Octav"

(1')

C-G im Prospekt, repetiert bei c² in den 2'

Pedal C, D, E, F, G, A - f° angehängt

Tremulant, Zimbelstern mit 4 Glöckchen

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Zusammenfassung

Das Deutsche Museum in München hat eine bedeutende Sammlung barocker Orgelinstrumente, die überwiegend in Süddeutschland zwischen etwa 1680 und etwa 1750 entstanden sind (ältere Angaben decken einen Zeitraum vom 16. - Bibelregal - bis zum 19. Jh. - "Will"-Positiv - ab, aber das entspricht wohl mehr dem Wunsch der Sammler). Vertreten sind Tischpositive (mit Schöpf- und Magazinbalg), Positive mit 2 Bälgen im Unterkasten, und Truhenorgeln. Alle Positive haben Stechermechanik, unterscheiden sich aber in der Bedienung der Registerschleifen.

Die bedeutendsten Unterschiede gibt es in der Gestaltung der Gehäuse, z.B. die Lage der Tastatur innerhalb oder außerhalb der Flügeltüren, die Gliederung des Prospekts in ein oder drei Felder und die Verwendung von architektonischem Dekor mit Fassung oder Furnierarbeit. Die Qualität der Instrumente wird auf jeden Fall dem Anspruch gerecht, "Meisterwerke der Naturwissenschaft und Technik" zu sammeln.

Literatur

Brenninger, Georg: Orgeln in Altbayern, München 2. Aufl. 1982

Fischer, Hermann und Wohnhaas, Theodor: Orgelentwürfe von Anton Berger, in: Acta Organologica 12, 1978, S. 195

dieselben: Addenda zu Anton Berger, in: Acta Organologica 13, 1979, S. 264 f.

Kleemann, Gotthilf: Einheimische und auswärtige Orgelmacher im Herzogtum Württemberg, in: Acta Organologica 11, 1977, S. 70. Ergänzungen in Acta Organologica 13, 1979, S. 263

Klotz, Hans: Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock, Kassel 3. Aufl. 1986

Menger, Reinhardt: Das Regal, Tutzing 1973

Reichling, Alfred: Orgellandschaft Südtirol, Bozen 1982

Schnorr, Klemens: Positiv und Orgel in Altbayern, in: Eitelfriedrich Thom (Hrg.): Bericht über das 8. Symposium zu Fragen des Musikinstrumentenbaus - Orgelpositiv, Michaelstein 1988

Thomas, Fritz und Kunze, Peter: Die Orgeln im Deutschen Museum (=Begleitheft zur Schallplatte), München 1978

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Dieser Artikel erschien in: Die Hausorgel 9, 1998, S. 8-17